Monument Making

Ein portabler Campingfernseher aus den 70er Jahren, mattschwarz. Davor zwei weiße, glänzende
Porzellanpferde, die in einem Wasserbassin stehen. Der Kopf der Pferde ist auf den Bildschirm
ausgerichtet. Dort läuft eine Videocollage aus einzelnen Youtube-Fragmenten – allesamt
Pferdeszenen im weitesten Sinne, darunter auch Wildpferde in freier Natur und Mustangs. Die 2011
erstandene Installation Ohne Titel verbindet nicht nur verschiedene Medien wie Film und Skulptur,
sondern überlagert auch unterschiedliche inhaltliche Referenzen. Die Porzellanpferde lassen
gleichsam als Stellvertreter des Menschen das Fernsehen als narzisstische Beschäftigung erscheinen.
Menschen sehen gerne Menschen im Fernsehen. „Wir sehen uns selber zu, andererseits aber auch
nicht weil es eben ein verfälschtes Bild ist“, meint Nico Kiese. Gleichzeitigt thematisiert die Skulptur
mit ihrem riesigen, wuchtigen schwarzen Sockel auch die Inszenierung von Bedeutsamkeit. Einerseits
liefert der Sockel als Medium der Monumentalisierung eine historische Referenz auf seine
Entwicklung innerhalb der Kunstgeschichte, andererseits erscheint er, übertragen auf das Fernsehen,
auch als eine Anspielung auf mediale Zuschreibungen von Wichtigkeit.
Wertigkeit und Bedeutungshierarchien sind typische Themen von Nico Kieses Arbeit. Dies zeigt sich
auch an der großen Bandbreite unterschiedlichster Materialien. In den vergangenen Jahren
entstanden sowohl Bronzeplastiken als auch multimediale Rauminstallationen. Bei letzteren treffen
manchmal Werkstoffe aufeinander, die in ihrer Gegensätzlichkeit einen starken Kontrast bilden:
einerseits Materialien, die besonders wertvoll erscheinen, andererseits solche, die sehr trashig
wirken. Neue Werkstoffe treffen auf gebrauchte. Nach den ersten formalen Arbeiten aus alten
Werbeplakaten begann Nico Kiese mit den Oberflächen der verwitterten Plakate zu experimentieren
und in konkrete plastische Formen zu übersetzen. Nico Kiese interessiert neben der Vorgeschichte
der Materialien auch ihr Camouflagepotenzial. Zum Teil inszeniert er bestimmte Elemente so, dass
sie in der Nähe das Versprechen, das sie in der Ferne vorgeben – etwa besonders kostbar zu sein –
nicht halten.
Bei seinem multiplen Readymade Vorgarten (2009), das aus mehr als zweihundert
Friedhofsgießkannen besteht, lag Nico Kiese daran, dass es sich nicht um neue Gießkannen handelt,
sondern um bereits benutzte, die Spuren des Gebrauchs tragen. Die vielen einzelnen Kannen
arrangierte Nico Kiese zu einem 3,80 Meter hohen Tor. Häufig tauchen in seiner Arbeit Tore oder
Fenster auf – als Motive des Übergangs. Die Installation Perfekte Gegenwart 2.0 (2014) besteht aus
einem Stapel alter Fenster, die von einem Abbruchhaus stammen. Unregelmäßig hintereinander
geschichtet lehnen sie an einer Wand, als hätte sie jemand schnell dort abgestellt. Wer davor steht,
blickt durch die Glasscheiben der verschmutzten Fenster scheinbar ins Freie. Das in die Rahmen
montierte Video zeigt einen Himmel, dessen Wolkenformationen sich stetig ändern.
Portale, Durchgänge und Fenster finden sich häufig in Nico Kieses Arbeiten. Sie stehen für eine
Verbindung unterschiedlicher realer oder geistiger Räume oder für den Übergang zwischen
verschiedenen Augenblicken. Sie erscheinen daher als Markierungen im Raum-Zeitgefüge.

Text: Astrid Mayerle